Пoлуoткрытoe письмo г-ну Нeдoстoeвскoму
10.04.2008 в 23:03 (24601 Просмотров)
Дoрoгoй Фeдeoр Mихaйлoвич,
нe знaю, зaхoдили ли Вы ужe кaк-нибудь в "сeмaнтику". Нa всякий случaй - вoт тут мoя стaтья прo этo:
,
a сeгoдня чтo-тo нa мeня нaшлo, и я нaписaл дoвoльнo рaдикaльнoe дoпoлнeниe к нeй.
Пoчeму-тo зaхoтeлoсь - пo-нeмeцки; тeкст нeбoльшoй, тaк чтo, нaвeрнoe, нa днях пeрeвeду, - a пoкa чтo, eсли Вaм (и другим гeрмaнoязычным друзьям) интeрeснo, - вoт.
Ich möchte hier einen Gedanken erläutern, der in meinem Versuch einer Definition der Musik in dem Essay über die musikalische Semantik vorkommt. Es ist wahrscheinlich meine wichtigste, zentrale Annahme, zu der ich zwar durch das Nachdenken über die Eigenschaften des musikalischen Inhalts und seiner Entstehung gekommen bin, die aber gleichzeitig alle meine philosophischen und religiösen Überlegungen widerspiegelt. Diese Vorstellung, die für mich typische Unmöglichkeit der Trennung von Kunst, Philosophie und Religion ausdrückt, hat dazu seltsamer- und erfreulicherweise eine Ähnlichkeit zu gewissen modernen wissenschaftlichen Ansichten.
Es handelt sich um die Behauptung, Musik sei eine „Technik der Realitätserzeugung“.
Anstatt „Musik“ könnte ich auch allgemeiner sagen: Kunst; ästhetische Wahrnehmung; menschliche Wahrnehmung; Wahrnehmung überhaupt.
Dabei meine ich nicht, dass durch Musik etwas entsteht, - etwas, was zu der schon vorhandenen Realität hinzukommt,- was es vorher nicht gegeben hat. Es geht (wie eigentlich in dem ganzen „Semantik“-Text) darum, dass Realität und Wahrnehmung zwei einander bestimmende untrennbare Wesen sind, zwei Elemente eines dynamischen Systems.
Ich werde mich weiter des Beispiels der Musik bedienen, mit der Annahme, dass das, was ich
dazu sage, sich auf allgemeineren Ebenen übertragen lässt.
Die Musik (als solche und nicht als akustisches Phänomen) existiert nur im Kopf des Zuhörers, in der Wahrnehmung. Je intensiver, konzentrierter die Wahrnehmung ist, je mehr „Wahrnehmungsmuster“ - Logik, Emotionen, Assoziationen, Sinne - eingeschaltet werden, desto mehr unterscheiden sich die Zeit-, Raum- , Ich-Gefühle von den alltäglichen. Musik ist dann so etwas wie ein Wahrnehmungsmodus, so wie der Traum oder Alltag-Modus, Trance oder Schock. Es macht keinen Unterschied, ob man sie unmittelbar hört, oder nur im Gedächtnis reproduziert, oder – im Falle eines von Geburt an Tauben – durch Vibrationen aufnimmt. Sie wird zur Realität für den Wahrnehmenden , der selbst ein „Stück“ Realität ist, sie durch sein Dasein und sein Zustand beeinflusst und verändert.
Ich nehme an, dass die Möglichkeit eines solchen alternativen Wahrnehmungszustands, Realitätsempfangens/ Realitätserzeugens– der Grund der Existenz der Musik ist. Ich glaube, dass jede Kultur schließlich ein System ist, das bestimmte Möglichkeiten der Techniken anbietet, sich mit der Realität auseinanderzusetzen/ sie zu produzieren. Es sollen solche Muster sein, die variabel genug sind, um jeden oder fast jeden Einzelnen zufrieden zu stellen, sodass mehrere Wahrnehmungen sich in einem gewissen Gebiet überkreuzen und damit die dialektische – lebensnotwendige – Voneinander-Abhängigkeit des Individuums und der Gesellschaft ermöglichen zu können.
Das ist aber nur der Anfang, denn in diesem Bild haben wir noch nichts über die dynamische Beziehung zwischen der Wahrnehmung und der Realität gesagt. Die Spezifik des Wahrnehmungszustandes, den ich als einen „alltäglichen“ bezeichnet habe, liegt auch darin, dass man sie a priori als eine Grundlage, eine „Normalität“ akzeptieren muss (Damit werden das soziale Funktionieren und schließlich das Überleben möglich). Solche „Alltagsrealität“ ist aber auch in sich sehr differenziert, neben ganz allgemeinen physiologisch bedingten Axiomen gibt es viele, die von der ein oder anderen Kultur bestimmt sind: was für ein Mitglied einer bestimmten Epoche als zweifellos real erscheint, existiert für einen Repräsentanten einer anderen Kultur vielleicht gar nicht.
Also eine solche Selbstverständlichkeit ist eine notwendige Eigenschaft des „Alltags- Wahrnehmungsmodus“, was aber kein Beweis für einen größeren „Realitätsgehalt“ ist.
Die Tatsache, dass es auch andere Modi gibt,- eine Erfahrung, die jeder Mensch täglich macht, eingeschlossen auch die großen Metamorphosen, die die Psyche eines Menschen mehrmals während seines Lebens erschüttern können - ermöglicht den Zweifel daran.
In diesem Moment stehen wir vor einer Wahl:
Entweder geht man davon aus, dass es eine objektive, ideale und vollkommene Realität gibt, die unabhängig von menschlichen Wahrnehmung existiert – etwa wie der Platonische Ideenhimmel, - von der der Mensch nur einseitig abhängt und die er sich nur in den seiner persönlichen Entwicklung und Kultur entsprechenden Begriffen, „Kanälen“, sich vorstellt,
oder es gibt nur eine bewegliche Summe von vielen hier-und-jetzt Wahrnehmungen, deren Isoliertheit doch auf eine geheimnisvolle Weise eine Ganzheit hervorbringt.
Dieses Dilemma ist auch am Beispiel der Musik gut sichtbar: gibt es einen objektiven, absoluten Inhalt des Musikstückes, zu dem wir uns nur unendlich nähern können? Gibt es dann aber auch eine göttliche Wahrnehmung, die dieses statische Absolute ewig betrachtet? Oder entsteht der Inhalt jedes Mal neu und jedes Mal anders in dem Akt der Wahrnehmung? Ist diese konkrete einzelne Wahrnehmung dann die aktuelle Realität? Ist diese einzelne Realität dann verbunden mit anderen einzelnen Realitäten?
Oder noch direkter: Gibt es eine Realität außerhalb der Wahrnehmung und unabhängig von ihr?
Ich glaube, dass, wenn man sich auch im Moment vielleicht keine entscheidende Antwort erhoffen kann, es in der Musik wohl bedeutende und festtellbare praktische Unterschiede gibt. Könnte man die großartigen Leistungen einiger Komponisten und Interpreten als Beweis in einem Experiment betrachten, so würden sie für eine relative, bedingte, zweiseitige Beziehung zwischen Realität und Wahrnehmung sprechen: um Werke zu schaffen, die eine unerschöpfliche Palette von Interpretationsmöglichkeiten den Menschen verschiedener Kulturen und Epochen anbieten, haben sie nicht nach „Objektivität“ gesucht, sondern sich in ihrem individuellen Welt- und Sich-Empfinden vertieft…Die Menschheit ist kein „Team“, das mit gemeinsamen Anstrengungen eine gültige Widerspiegelung einer statischen absoluten Realität erarbeitet; sie ist ein Fluss, dessen Bewegung durch einzelne isolierte Teile, d.h. einzelne Beobachter, von denen jeder ein kreativer „Realitätsknoten“ ist, bestimmt wird.
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